Das deutsche Volk ist frei, bleibt frei und regiert in aller Zukunft sich selbst.
Rede zur Eröffnung der Nationalversammlung, 6. Februar 1919

Der Verteidiger der Demokratie

Das politische Wirken Friedrich Eberts ist eng mit einer der entscheidenden Etappen deutscher Demokratiegeschichte verbunden. Am 11. Februar 1919 zum Reichspräsidenten gewählt, wurde Friedrich Ebert der wichtigste Repräsentant der ersten demokratischen Republik auf deutschem Boden. Als Staatsoberhaupt der jungen Weimarer Republik musste er außergewöhnliche Herausforderungen meistern: Regierungskoalitionen zerbrachen, die Reparationszahlungen von Versailles belasteten die Wirtschaft, rechte Putschisten formierten sich zum Angriff auf die Demokratie, politische Morde vergifteten die Atmosphäre. Mit seiner am Allgemeinwohl orientierten Politik des sozialen Ausgleichs steuerte Ebert die junge Republik durch vielfältige Krisen und verteidigte sie gegen ihre einflussreichen Feinde. Geleitet von der Bereitschaft zum Kompromiss, gelangen ihm die Stabilisierung der Demokratie und die Sicherung von Freiheit und Ordnung.


Rede Ebert vor der Nationalversammlung

Weimar 21.8.1919

Der Hüter der Verfassung

Am 11. Februar 1919 wählte die in Weimar tagende Nationalversammlung mit 277 von 379 Stimmen Friedrich Ebert zum ersten demokratischen Staatsoberhaupt in der deutschen Geschichte. In seiner Dankesrede versprach er, als der „Beauftragte des ganzen deutschen Volkes […] nicht als Vormann einer einzigen Partei“ das Amt wahrzunehmen. Gleichzeitig bekannte er aber auch, „als Sohn des Arbeiterstandes […], aufgewachsen in der Gedankenwelt des Sozialismus“, seinen Ursprung und seine sozialdemokratischen Überzeugungen nicht zu verleugnen. In dem hier angedeuteten Spannungsverhältnis von Staatsräson und Parteiinteresse stand Ebert an der Spitze der jungen Republik.

Ausgestattet war sein Amt mit umfangreichen Befugnissen: Die Weimarer Verfassung wies ihm das Recht zur Ernennung des Reichskanzlers und die völkerrechtliche Vertretung des Staats zu. Zudem war er militärischer Oberbefehlshaber und konnte über Artikel 48 weitreichende Maßnahmen ergreifen. Insgesamt verfügte er im Verhältnis zu Regierung und Parlament über eine äußerst starke Position. Anders als von den Verfassungsschöpfern gedacht, die in einem starken Reichspräsidenten ein Gegengewicht zu Parlament und Kabinett hatten installieren wollen, verstand sich Ebert als Staatsoberhaupt immer als Teil und nicht als Gegenpol der Regierung. Diese Interpretation des Amts folgte der Überzeugung, die noch junge Weimarer Demokratie stabilisieren und festigen zu müssen. Stets um den Konsens bemüht, fungierte er in strittigen Verhandlungen als Schlichter und Mediator. Insgesamt griff er – mehr als nach außen drang – aktiv in die Politik ein und erfüllte als akribischer Arbeiter seine Aufgaben. Doch ein Kaiserersatz, der dominierend das politische Tagesgeschäft bestimmte, wollte und konnte er nicht sein. Seine Rolle sah er als ein Hüter der Verfassung und Bewahrer der demokratischen Ordnung.

Diese Amtsauffassung paarte sich mit einem hohen Maß an Pflichtgefühl, während im Gegensatz dazu manch anderer Politiker sich (allzu) schnell der Bürde des Amtes entledigte. So erlebte Friedrich Ebert als Reichspräsident nicht weniger als neun Kanzler mit mehr als zwölf Kabinetten. Durchschnittliche Haltbarkeitsdauer einer Regierung: ein halbes Jahr. Die sechs Jahre, die Ebert im Amt blieb, dokumentieren sein hohes Maß an Pflichtbewusstsein, das sich bereits in der Frage des Friedensvertrags von Versailles zeigte, der ersten großen außenpolitischen Belastungsprobe der jungen Republik. Der Anfang Mai 1919 von den Siegermächten veröffentlichte Entwurf des Friedensvertrags konstatierte die alleinige Verantwortung Deutschlands für den Ausbruch des Ersten Weltkriegs und verpflichtete die junge Weimarer Republik zu Gebietsabtretungen, zur Abrüstung und hohen Reparationszahlungen an die Siegermächte. Die Frage, ob man den Friedensvertrag unterzeichnen sollte oder nicht, forderte die Sozialdemokratie als Regierungspartei und Ebert als ersten Repräsentanten des neuen demokratischen Staats heraus. Reichspräsident Friedrich Ebert, der vor der Übergabe der Vertragsbedingungen mehrmals die Hoffnung auf einen „Frieden der Verständigung und der Aussöhnung“ geäußert hatte, war von der erheblichen Mitverantwortung der Akteure der wilhelminischen Außenpolitik am Ausbruch des Ersten Weltkriegs überzeugt, die einen Waffengang bewusst in Kauf genommen hatten. Im Einklang mit der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung lehnte auch Ebert die Zuschreibung der „Alleinschuld“ Deutschlands ab. Er lotete zunächst alle Möglichkeiten zur Verbesserung der Bedingungen aus und agierte in der Frage der Vertragsunterzeichnung äußerst abwägend und vorsichtig. Im Falle einer vorschnellen, bedingungslosen Vertragsunterzeichnung stand zu befürchten, dass die Regierungskoalition, die bislang die große Mehrheit der Bevölkerung repräsentiert hatte, auseinanderbrach, was den rechtskonservativen Feinden der Republik in die Hände spielen musste.

Da sich die Siegermächte jeglichen Verhandlungen über die Vertragsbedingungen verschlossen, gab es keine Alternative zur Vertragsunterzeichnung, es sei denn, man wollte eine Teilung Deutschlands nach einem erneuten Krieg riskieren. Angesichts der ultimativen Drohung der Alliierten, im Falle einer Nichtannahme des Vertrags zur sofortigen Wiederaufnahme der Kampfhandlungen zu schreiten, rang sich der im Zentrum der Entscheidung stehende Reichspräsident Ebert schließlich zur Annahme des Vertrags durch. Zuvor hatte er sich von den führenden Militärs versichern lassen, dass dies nicht zu einer militärischen Gegenreaktion führen würde. Ebert gelang es, ein unterzeichnungswilliges Kabinett und eine parlamentarische Mehrheit für die Unterzeichnung zustande zu bringen, die schließlich am 28. Juni 1919 erfolgte.

Friedrich Ebert übernahm in einer historisch bedeutsamen Situation, in der sich Systemwechsel, innere Polarisierung im Zeichen der Bürgerkriegsgefahr, Demobilisierung und der heftige Streit über Annahme oder Ablehnung des Friedensvertrags überlagerten, staatspolitische Verantwortung. In diesen entscheidenden Tagen des Juni 1919 hegte er Gedanken an Rücktritt, so wie ihn die erste Reichsregierung mit seinem Parteifreund Philipp Scheidemann an der Spitze aus Ablehnung des Vertrages dann vollziehen sollte. Ebert aber blieb, geleitet von der Erkenntnis, dass sein Ausscheiden eine Staatskrise auslösen würde – mit unabsehbaren Folgen für den Fortbestand der Republik. Dieses dabei zum Ausdruck kommende hohe Maß an Verantwortungsethos zeichnete ihn als Reichspräsidenten aus. Sein Beharrungsvermögen wog umso mehr, als andere – unter persönlichem Blickwinkel konsequent, unter längerfristiger gesamtpolitischer Perspektive aber mit verheerender Wirkung – sich der Bürde des Amts entledigten.

In der Folgezeit setzte Ebert auf die Erfüllungspolitik, mit der man den Siegern beweisen wollte, dass die Wiedergutmachungsforderungen die Leistungskraft Deutschlands überstiegen. Er erhob es zur außenpolitischen Leitlinie, durch beharrliche Verhandlungen mit den westlichen Mächten zu versuchen, die Last der Reparationen zu reduzieren und letztlich Deutschland wieder in den Kreis der gleichberechtigten Nationen zu führen. Diese Perspektive sah Ebert durch den von Reichskanzler Joseph Wirth (Zentrum) und Außenminister Walther Rathenau (DDP) im April 1922 unterzeichneten Vertrag von Rapallo zwischen Deutschland und Sowjetrussland in Gefahr. Ebert hatte grundlegende Bedenken gegenüber einer Ostorientierung. Über den Vertrag, der die Aufnahme diplomatischer Beziehungen festlegte, war er nachhaltig verstimmt, denn er sah dadurch das Verhältnis zu den Westmächten schwer belastet. Zudem fühlte er sich als Reichspräsident, dem die Verfassung das außenpolitische Vertretungsrecht zuwies, durch den Coup von Rapallo überrumpelt. Auch wenn ein nicht mehr zu kittender Bruch zwischen Ebert auf der einen und Wirth und Rathenau auf der anderen Seite entstanden war, wollte der Präsident deswegen keine Regierungskrise vom Zaun brechen.

Freiheit und Recht sind Zwillingsschwestern. Die Freiheit kann sich nur in fester staatlicher Ordnung gestalten. Sie zu schützen und wiederherzustellen, wo sie angetastet wird, das ist das erste Gebot derer, die die Freiheit lieben.
Rede in der Nationalversammlung, 11.2.1919

Mahner der Einheit

Für Friedrich Ebert war die Einigkeit der Regierung unverrückbare Maxime. Angesichts der permanenten Krisensituationen mahnte er, dass „die Leitung fest in den Händen der Regierung bleiben“ müsse. Die demonstrative Einigkeit der Regierung nach außen war für ihn unabdingbar. Konflikte sollten intern ausgetragen werden. Dies blieb Konstante seines Politikverständnisses seit den Tagen an der Spitze der SPD: Strittige Fragen waren hinter verschlossenen Türen zu diskutieren; und nach der Kompromissfindung am Verhandlungstisch war der Konsens nach außen einmütig zu verteidigen. Dieses Prinzip leitete ihn als Parteivorsitzender ebenso wie als Reichspräsident.

Dabei war er bestrebt, die Funktionstüchtigkeit des parlamentarischen Systems zu sichern. In dieser Erkenntnis drängte er seine Partei unermüdlich zum Regierungsbündnis mit den bürgerlichen Parteien und diese wiederum zur Kooperation mit der SPD. Seine Hoffnung richtete sich auf eine breite Regierungsmehrheit unter Einbezug der bürgerlichen Parteien des Verfassungsbogens. Nach Eberts Auffassung war die Republik nur durch eine Kooperation zwischen Arbeiterschaft und Bürgertum lebensfähig. Die als erdrückend empfundenen außenpolitischen Verbindlichkeiten und die daraus resultierenden innenpolitischen Belastungen waren aus seiner Sicht nur unter Einbindung der industriellen Interessen zu meistern. Aus alledem ergab sich für ihn als Konsequenz die Forderung nach einer Großen Koalition, einem Kabinett aus SPD, linksliberaler DDP, katholischer Zentrumspartei und rechtsliberaler DVP. „Ich habe nie verhehlt“, so begründete er bei den Regierungsverhandlungen im Herbst 1922 seine Option, „dass ich entschiedener Vertreter des Gedankens der Großen Koalition bin, aus staatspolitischen Notwendigkeiten heraus.“

Vor allem nach den Reichstagswahlen im Juni 1920, als die Weimarer Koalition aus SPD, Zentrum und DDP die bei den ersten Wahlen im Januar 1919 erzielte satte Mehrheit eingebüßt und die SPD einen dramatischen Wählerschwund erlebt hatte, drängte Ebert auf die Große Koalition. Dabei warb er um die Einsicht, dass der Kompromiss zwischen den Parteien zum unverrückbaren Bestandteil einer parlamentarischen Demokratie gehörte und dass gerade in der dauerhaft gespannten Lage der breite Konsens erforderlich war. Die Parteien waren jedoch zu selten bereit, ihr Handeln unter diese Maxime zu stellen. Ihre Kompromissbereitschaft reichte nicht aus, die höchst unterschiedlichen Interessen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Auch waren die Parteien im Kaiserreich nicht an das Regieren mit den Handlungszwängen einer Koalition gewöhnt, sondern im Vorhof der Macht gehalten worden. Parlamentarisches Regierungshandeln hatten sie nicht gelernt. Die Parteien zogen sich auf die bequemen Oppositionsbänke zurück, auch weil der Weimarer Wähler Regierungsteilhabe abstrafte. Das machte es für Ebert schwierig, überhaupt geeignete Kandidaten zu finden, die willens und in der Lage waren, eine tragfähige Regierung zu bilden.

In dem Bestreben, die Funktionstüchtigkeit des Systems zu sichern, scheute er sich in festgefahrenen Situationen nicht, ungewöhnliche Wege zu beschreiten. Als nach dem Scheitern der Regierung Wirth im November 1922 keine Partei auch nur Anstalten machte, den Kanzler zu stellen, berief Ebert den konservativen parteilosen Direktor der Hamburger Hapag-Reederei Wilhelm Cuno an die Spitze eines so genannten „Geschäftsministeriums“ mit parteipolitisch ungebundenen Fachleuten. Diese Kanzlerwahl war ein deutliches Symptom der Krise des parlamentarischen Parteienstaats und stellte sich als Fehlgriff heraus. Die Regierung Cuno war der Zuspitzung der außen- und innenpolitischen Lage, gekennzeichnet durch die französisch-belgische Ruhrbesetzung und eine dramatisch ansteigende Inflation, nicht gewachsen.

Erst nach dem Rücktritt Cunos aufgrund massiver Proteste gegen seine Regierung kam es im August 1923 zur Bildung einer Großen Koalition unter Gustav Stresemann. Ihr gelang es mit massiver Unterstützung Eberts, die fundamentale Staatskrise zu überwinden. Dabei stellte der Reichspräsident dem neuen Kanzler Stresemann die gewünschten Notverordnungen nach dem umstrittenen Artikel 48 der Reichsverfassung bereit.


Im Kampf um die Republik

In der Anfangszeit setzte Ebert Artikel 48 ausschließlich zur Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung ein, etwa beim Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920, als rechte Kreise die Regierung stürzen und den demokratischen Staat zerstören wollten. Dieses konsequente Vorgehen war verfassungsrechtlich konform. Mit der Anwendung von Artikel 48 zur Behebung einer überaus dramatischen wirtschafts- und finanzpolitischen Krisensituation 1923 wurden die Verfassungsbestimmungen jedoch überdehnt. Für Ebert war die Anwendung des Artikels 48 im Sinne einer Stabilisierung der gefährdeten Republik jedoch absolut notwendig, und er wahrte dabei stets die Rechte des Reichstags. Sein Umgang mit den Befugnissen des Amts stand in eklatantem Gegensatz zur Amtsführung seines im April 1925 gewählten Nachfolgers Paul von Hindenburg. Dieser war in der Staatskrise ab 1930 gewillt, die Möglichkeiten von Artikel 48 in geschickter Kombination mit den weiteren präsidialen Befugnissen gegen den Reichstag – und damit gegen die Republik – auszunutzen.

Das Parlament besaß für Ebert bei allen Handlungen Vorrang. Ohne Widerspruch blieben seine Maßnahmen jedoch nicht. Dazu gehörte die Ermächtigung der Reichsregierung im Oktober 1923, die sozialdemokratisch-kommunistische Regierung in Sachsen abzusetzen, weil diese dem Reich die Gefolgschaft verweigert hatte und die KPD zum offenen Kampf gegen die Republik rüstete. Dagegen erhob sich innerhalb der Sozialdemokratie zum Teil heftige Kritik. Die Vorwürfe richteten sich auch gegen Ebert, weil gegen die gleichzeitigen antirepublikanischen Umtriebe rechter Kreise in Bayern nichts unternommen wurde. Ein Vorgehen gegen die Münchner Fronde hatte zwar auch Ebert gefordert, doch hatte ihm die Reichswehrführung die Gefolgschaft verweigert. Erst als Hitler am 9. November 1923 zum Marsch auf Berlin blies, wurde eingegriffen und der Putsch vereitelt.

Unter Aufbringung aller präsidialen Macht gelang es Ebert schließlich, die demokratische Ordnung zu stabilisieren, aber zu einem hohen Preis: Es kam zu einer Entfremdung zwischen ihm und seiner Partei. Ebert war enttäuscht, dass die SPD im Zorn über das in ihren Augen überstürzte und vielleicht sogar vermeidbare Vorgehen gegen Sachsen aus der Großen Koalition austrat und diese damit schon nach wenigen Monaten zerbrach. Trotz der großen Meinungsunterschiede und Konflikte zwischen Partei und Präsident schützte die SPD-Führung auf dem Parteitag 1924 ihren ehemaligen Vorsitzenden, indem sie die von einzelnen regionalen Parteigliederungen gestellten Anträge, Ebert aus der SPD auszuschließen, gar nicht erst zuließ.


Der Werbeträger der Republik

Die amtsbedingte Distanz zur sozialdemokratischen Partei empfand Friedrich Ebert, der sich über die Querelen zwischen ihm und seiner Partei immer wieder beklagte, als bedrückend. Sein politisches Handeln nach seinem eigenen Anspruch, Präsident aller Deutschen zu sein, brachte ihm gleichzeitig allgemeine Achtung und Anerkennung in der demokratischen Mitte der Gesellschaft ein. Amtsauffassung und Amtsführung waren „Werbung für die Republik“, wie es Thomas Mann einmal 1922 so treffend formulierte. Andererseits stempelten scharfe intellektuelle Kritiker wie Kurt Tucholsky Ebert mit spitzer Mine zum Oberbürokraten und zum blutleeren „Papiermenschen“. Die radikale Linke wähnte Ebert als Hampelmann in den Händen des Großindustriellen Hugo Stinnes, wie ihn der Karikaturist Georg Grosz einmal zeichnete.

Ebert versuchte durch einen jeglichen Personenkult ablehnenden Stil die Republik im Bewusstsein der Bürger zu verankern. Er versah sein Amt ohne Pose und Pathos. Seine betont zurückhaltende Repräsentation erklärt in weiten Teilen den sensationellen, gleichsam zweifelhaften „Erfolg“ des berühmt-berüchtigten Badehosen-Fotos, das Ebert zusammen mit Reichswehrminister Gustav Noske in der Ostsee zeigt. Es erschien in der „Berliner Illustrirten Zeitung“ ausgerechnet am Tag der Vereidigung des Reichspräsidenten auf die neue Reichsverfassung am 21. August 1919 und erzielte ungeheure Wirkung in einer Gesellschaft, die bisher den Prunk des kaiserlichen Deutschland gewohnt war. Eberts rechtsnationale politische Gegner instrumentalisierten das Foto, um den frisch gewählten Reichspräsidenten und die junge Weimarer Demokratie zu diskreditieren. Sie setzten unter anderem eine tausendfach verkaufte Postkarte in Umlauf, die Ebert und Noske zusammen mit Wilhelm II. und Paul von Hindenburg zeigt. Der abgetretene Kaiser und der frühere Chef der Obersten Heeresleitung tragen Paradeuniformen. Zwischen ihnen und den Demokraten in Badehosen steht die Zeile: „Einst und jetzt!“

Ebert war bestrebt, die Identifikation mit der neuen Demokratie zu fördern. Er sah die Notwendigkeit, einer Gesellschaft, die den Schritt vom Obrigkeitsstaat zur Republik zwar politisch schon vollzogen hatte, in den Köpfen aber noch vollziehen musste, ein aus den demokratischen Traditionen geschöpftes geistiges Fundament zu geben. Es ging ihm darum, Orientierungsmarken zu setzen und Symbole zu schaffen, die die Schichten und Parteien einten. Bereits in seiner Rede zur Eröffnung der Nationalversammlung stellte er den revolutionären Umsturz vom November 1918 in die Tradition der Revolution von 1848. Er reklamierte den „Geist von Weimar“, den Geist Goethes und Schillers, als Leitbild für die Republik. So förderte er nachdrücklich die 1923 in Frankfurt stattfindenden Feiern zum 75. Jahrestag der Paulskirchenversammlung von 1848, die er zur Vorläuferin der Weimarer Republik erklärte. Auf dem Römerberg in Frankfurt, wo sich Zehntausende zu der Republikfeier zusammenfanden, erlebte Ebert so etwas wie die klassenübergreifende freiheitliche Bürgergesellschaft in Harmonie, jene von ihm immer wieder beschworene republikanische Volksgemeinschaft. Der Reichspräsident machte sich weiterhin stark für die feierliche Begehung des Verfassungstags am 11. August, dem Tag, an dem er 1919 im thüringischen Schwarzburg die Verfassung unterzeichnet hatte. Ebert verstand den Rückbezug auf demokratische Traditionen und die offiziellen Feierlichkeiten als Transmissionsriemen, um den Gedanken der Republik in der Bevölkerung zu verwurzeln. Wenngleich Erfolg oder Misserfolg von Eberts Initiativen schlicht nicht messbar sind: Sie stellten den notwendigen Versuch dar, die demokratische Staatsform im Bewusstsein aller Deutschen fest zu verankern.


Im Fadenkreuz der Republikgegner

Eberts „Werbung für die Republik“ und sein bedingungsloser Wille, die Demokratie zu schützen, brachte ihm die Feindschaft der antirepublikanischen Rechten ein. Jene trauerten der alten kaiserlichen Ordnung nach und sahen in der Republik von Weimar nichts weiter als das verachtete System der „Novemberverbrecher”. Die radikale Rechte überzog in ihrem blindwütigen Hass gegen die Republik den Reichspräsidenten als Symbolfigur der neuen Ordnung mit einer perfiden Verleumdungs- und Beleidigungskampagne. Dagegen setzte sich Ebert mit juristischen Mitteln zur Wehr. Das erwies sich aber als eine stumpfe Waffe angesichts der Skrupellosigkeit von Spott und Lüge.

Besonders verletzend wirkte der Vorwurf des Landesverrats, die auf Ebert projizierte Fortsetzung der Dolchstoßlegende, die das politische Klima Weimars nachhaltig vergiftete. Sie schob die Schuld an der Kriegsniederlage der organisierten Arbeiterbewegung in die Schuhe, die der heldenhaft kämpfenden Truppe in den Rücken gefallen sei. In dem am 23. Dezember 1924 ergangenen spektakulären Urteil des Magdeburger Prozesses, den Ebert gegen einen jener Gossenjournalisten angestrengt hatte, stellte der Richter fest, dass Ebert durch eine Beteiligung an einem Streik im Januar 1918 Landesverrat begangen habe – ein über zweifelhafte juristische Winkelzüge richterlich zementierter Vorwurf, der den Patrioten Ebert zutiefst traf, aber auch die gesamte Republik in Misskredit brachte. Jeder antidemokratische Stammtischbruder konnte von nun an das republikanische Staatsoberhaupt ungestraft „Landesverräter” schimpfen.

Ebert durfte den Vorwurf nicht auf sich sitzen lassen. Über den Prozess und das vor allem im Staatsinteresse angestrengte Berufungsverfahren verschleppte Ebert, gesundheitlich durch jahrelanges Gallenleiden ohnehin angeschlagen, eine Blinddarmentzündung. Sie wurde zu spät erkannt und damit zu spät operiert. Friedrich Ebert starb im Alter von 54 Jahren.


Friedrich Ebert – ein Leben für die soziale Demokratie

Am 28. Februar 1925 endete der Lebensweg des Politikers, der sich Demokratie und soziale Gerechtigkeit als Lebensziel gesetzt hatte. Friedrich Ebert hatte als Revolutionsführer und Reichspräsident im Wesentlichen das getan, was er in einer gespaltenen, innerlich wenig befriedeten, äußerlich nachhaltig bedrängten Republik mit sozialen Schieflagen hatte tun können, wenn er sich dem demokratischen Ideal in aller Konsequenz verpflichtet fühlte. In einer extremen Gemengelage, unter denkbar ungünstigen Rahmenbedingungen war er als Volksbeauftragter und erster Reichspräsident zum Handeln verdammt. Auch dank seiner Politik, die nicht frei von Fehlern und Fehleinschätzungen war, befand sich die Republik von Weimar bei seinem Tod nach Jahren der Krisen in einer Phase der relativen Stabilität.

Mit seinem stetigen Bemühen um Konsens und seinem Appell an den Kompromisswillen war er seiner Zeit voraus. Machtwille, Beharrungsvermögen und Verantwortungsethos machten Ebert zum Prototyp des modernen Politikers. Ihm gelang im Gegensatz zu den meisten Entscheidungsträgern jener Zeit der Wandel vom Milieupolitiker zum Staatsmann.

Mit ihm verlor die Republik von Weimar ihren Vorkämpfer und einen ihrer konsequentesten Verteidiger. Zu seinem Nachfolger wählten die Deutschen im April 1925 – in einer Volksabstimmung – Paul von Hindenburg, den kaiserlichen Heerführer des Ersten Weltkriegs, den Schöpfer der Dolchstoßlüge, einen Militär, einen Antirepublikaner. Unter seiner Präsidentschaft wurde Hitler 1933 Reichskanzler, die Republik zerstört und damit das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte aufgeschlagen. Somit markiert der Tod Friedrich Eberts im Februar 1925 einen tiefen Einschnitt in der Geschichte der Weimarer Republik – und nicht weniger in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts. Als Wegbereiter und Garant der ersten Republik gehört Friedrich Ebert zu den wichtigsten Persönlichkeiten der deutschen Demokratiegeschichte.

[I]ch glaube, im Großen und Ganzen mein Amt so geführt zu haben, wie es das Interesse der Arbeiterschaft gebietet, das in diesen Jahren in Übereinstimmung war mit den Interessen und Notwendigkeiten unseres ganzen Volkes.
Rede vor Sozialdemokraten in Kiel, 4. September 1922

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Aufbahrung des verschiedenen Eberts, März 1925

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Leiterin des Frauensekretariats beim SPD-Parteivorstand Marie Juchacz mit Elisabeth Kirschmann-Röhl, 1917

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Marie Juchacz (*15.03.1879 - †28.01.1956) war Begründerin der Arbeiterwohlfahrt und eine entscheidende Kraft in der deutschen Frauenbewegung. Sie hielt als erste Frau eine Rede im deutsche Reichstag
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